Ursachen von Gewalt gegen Frauen: Patriarchale Strukturen klar benennen

Gewalt gegen Frauen ist kein privates oder individuelles Problem. Sie entsteht nicht zufällig und sie ist kein Sonderfall. Gewalt gegen Frauen ist ein gesellschaftliches Phänomen mit klar benennbaren Ursachen: Sie wurzelt in patriarchalen Strukturen, ungleichen Machtverhältnissen und traditionellen Geschlechterrollen, die bis heute wirksam sind.

Die Istanbul-Konvention macht diese Verbindung deutlich: Gewalt gegen Frauen ist eine Folge historisch gewachsener Ungleichheit zwischen Männern und Frauen – und Ausdruck struktureller Macht.
 

Warum patriarchale Strukturen Gewalt begünstigen

Patriarchale Denkmuster basieren auf der Vorstellung, dass Männer über mehr Macht, Kontrolle und gesellschaftliche Autorität verfügen sollten als Frauen. Diese Haltung zeigt sich in Erwartungen, Rollenbildern und Verhaltensnormen, die tief in unserer Kultur verankert sind.
Gewalt wird in diesem Kontext zu einem Mittel, um Kontrolle auszuüben, Macht zu sichern oder Hierarchien zu stabilisieren.
 

Männlichkeitsnormen als Risikofaktoren

Studien zeigen deutlich:
Der Großteil der Gewalt gegen Frauen wird von Männern ausgeübt.
Das bedeutet nicht, dass alle Männer gewalttätig sind – aber es zeigt, dass Gewalt eng mit gesellschaftlichen Erwartungen an Männlichkeit verbunden ist, darunter:

  • Dominanzorientierte Rollenbilder
  • Anspruch auf Kontrolle und Verfügungsmacht in Beziehungen
  • Abwertung von Weiblichkeit und traditionelle Geschlechterstereotype
  • Konfliktlösungsmuster, in denen Aggression als „starkes Verhalten“ gilt
  • Fehlende Verantwortungsübernahme, weil Gewalt oft verharmlost oder entschuldigt wird

Digitale Räume spielen dabei eine immer größere Rolle. Formen digitaler Gewalt – wie Online-Belästigung oder gezielte Kampagnen – verstärken patriarchale Muster. Germanosphere und digitale Gewalt

Ein präventionsorientierter Blick darf diese Zusammenhänge nicht ausklammern.
 

Strukturelle Abhängigkeiten: Der oft fehlende Baustein im öffentlichen Diskurs

Ein zentraler Aspekt bleibt in vielen Diskussionen unbenannt:
Patriarchale Gewalt wirkt, indem sie Frauen in Abhängigkeit hält – und diese Abhängigkeiten sind gesellschaftlich hergestellt.

1. Ökonomische Abhängigkeit

Frauen sind überdurchschnittlich häufig in Teilzeit beschäftigt, verdienen weniger und übernehmen den Großteil der unbezahlten Sorgearbeit. Dies führt zu geringeren Einkommen und Renten – ein wesentlicher Faktor, der es erschwert, gewaltvolle Beziehungen zu verlassen.
Ökonomische Abhängigkeit ist deshalb ein zentraler Risikofaktor für Gewalt.

2. Verantwortung für Kinder und Care-Arbeit

Frauen tragen in Deutschland nach wie vor die Hauptlast der Kinderbetreuung und Pflege.
Diese ungleiche Verteilung von Care-Arbeit schafft strukturelle Abhängigkeiten und erhöht das Risiko, in gewaltvollen Beziehungen zu verbleiben – aus Sorge um die Kinder, wegen mangelnder Betreuungsangebote oder aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen.

3. Soziale Isolation

Gewalttäter isolieren Betroffene bewusst – aber eine patriarchale Gesellschaft trägt unfreiwillig dazu bei, indem sie Frauen stärker ins Private drängt und emotionale sowie mentale Care-Arbeit als selbstverständlich ansieht.
Soziale Isolation schwächt Unterstützungsnetzwerke und erschwert das Suchen von Hilfe.

4. Institutionelle Barrieren

Viele Betroffene stoßen im Hilfesystem auf Hürden: lange Wartezeiten, unklare Zuständigkeiten, beschränkte Plätze in Frauenhäusern, komplizierte rechtliche Verfahren.
Strukturelle Gewalt entsteht auch dort, wo Institutionen Betroffene nicht ausreichend schützen.
 

Warum eine klare Benennung notwendig ist

Wenn patriarchale Gewalt nicht als solche benannt wird, bleiben ihre Ursachen unsichtbar. Das führt dazu, dass der gesellschaftliche Diskurs sich fast ausschließlich auf Schutzmaßnahmen für Frauen konzentriert – wichtig, aber nicht ausreichend.

Wir müssen auch über Täter sprechen.
Über Männlichkeitsbilder, über Machtstrukturen, über gesellschaftliche Muster, die Gewalt ermöglichen oder legitimieren.

Nur so können wir:

  • Prävention wirksam gestalten,
  • verantwortungsvolle Täterarbeit stärken,
  • Jungen und Männer in gewaltfreie Rollenbilder hinein begleiten,
  • und langfristig echte Gleichstellung erreichen.
     

Ein gemeinsamer Auftrag

Gewalt gegen Frauen ist kein Randthema und kein „Frauenthema“. Sie betrifft die gesamte Gesellschaft.
Eine Kommune trägt Verantwortung dafür, patriarchale Strukturen sichtbar zu machen, Betroffene konsequent zu schützen, Täterverhalten klar zu benennen und Voraussetzungen für echte Gleichstellung zu schaffen – von ökonomischer Unabhängigkeit bis hin zu guter Care-Infrastruktur.

Nur in einer Gesellschaft, die Gleichstellung als Grundvoraussetzung für ein friedliches Zusammenleben versteht, haben Gewalt und Machtmissbrauch keinen Platz.

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