Städte erheben Klage vor Verwaltungsgerichten

Städte in NRW brauchen Klarheit beim Ganztag

Die Finanzierung der Ganztagsbetreuung ist vor dem Start des Rechtsanspruchs immer noch nicht geregelt. Deshalb haben mehrere Städte – auch Hamm – Klage vor den Verwaltungsgerichten erhoben.

Mehrere NRW-Städte, darunter die Stadt Hamm, werden bei den Verwaltungsgerichten im Land zum Rechtsanspruch auf Ganztag an Grundschulen klagen. Der Städtetag Nordrhein-Westfalen unterstützt diese Feststellungsklagen. Nach Ansicht der Städte ist der individuelle Anspruch auf einen Ganztagsplatz, der mit dem Rechtsanspruch geschaffen wurde, bisher nicht wirksam durch das Land auf die Kommunen übertragen worden. Damit ist auch die Finanzierung unklar. Zu den klagenden Städten gehören neben Hamm unter anderem die Städte Düsseldorf und Krefeld. 

Land muss Beitrag leisten
Der Vorsitzende des Städtetages NRW, Hamms Oberbürgermeister Marc Herter, erklärt dazu: „Um es ganz klar zu sagen: Wir stehen zum Ganztag. Wir Kommunen werden alles uns Mögliche tun, um den Rechtsanspruch ab dem kommenden Schuljahr zu erfüllen. Eltern und Kinder brauchen Verlässlichkeit. Dazu muss auch das Land seinen Beitrag leisten. Es drückt sich aber davor, gesetzlich klar zu regeln, wer eigentlich für den Rechtsanspruch auf Ganztag zuständig ist. Und daran hängt natürlich auch die Finanzierung. Für die Städte ist das ein echtes Problem, denn sie stecken ohnehin in einer katastrophalen Finanzlage. Deshalb brauchen wir bei einem so wichtigen Zukunftsthema endlich rechtliche Klarheit, die auch eine Klarheit bei der Finanzierung mit sich bringt.“
 
Städte gehen in Vorleistung
Der Bund hat den Rechtsanspruch auf Ganztag im 8. Sozialgesetzbuch festgeschrieben. Er kann aber selbst unmittelbar keine Aufgaben an die Kommunen übertragen, sondern nur an die Länder. Die Landesregierung müsste nun diese neue Aufgabe „Rechtsanspruch“ auf die Kommunen per Ausführungsgesetz übertragen. Sie hat aber entgegen ihrer schriftlichen Zusage im Koalitionsvertrag immer noch kein Ausführungsgesetz vorgelegt, das den Kommunen die Aufgabe eindeutig überträgt und die Finanzierung regelt. „Die Städte unterstützen den Ausbau der Ganztagsbetreuung, weil sie wissen, dass Eltern Betreuungsbedarf haben. Deshalb gehen sie auch seit Jahren in Vorleistung. Mit dem kommenden Schuljahr ist die Lage jedoch anders: Ab dann müssen sie jedem Erstklässler-Kind, das sein Recht geltend macht, mit einem Platz versorgen. Diese Aufgabe braucht eine verlässliche, dauerhafte Finanzierung. Solange wir uns aber in einer rechtlichen Grauzone bewegen und das Land sich wegduckt, solange ist auch diese verlässliche Finanzierung nicht geklärt. Angesichts der katastrophalen Finanzsituation der Städte in NRW kann das nicht so weitergehen“, sagt Herter. 

Gewaltiger Kraftakt
Der Ausbau des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung ist ein gewaltiger finanzieller Kraftakt. Dr. Stephan Keller, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Düsseldorf und Vorstandsmitglied des Städtetages NRW, betont: „Der Gesetzgeber muss endlich die Verantwortung für die Finanzierung der durch ihn verursachten Mehraufwände übernehmen. Wer bestellt, bezahlt! Doch beim Ganztag wird nicht einmal geteilt – von einer fairen Lastenverteilung kann keine Rede sein. Wir Kommunen tragen bislang zu einem überproportional großen Teil die Kosten für die Umsetzung des Ganztagsangebots. Allein in diesem Jahr haben wir in Düsseldorf für vorbereitende schulorganisatorische Maßnahmen 26 Millionen Euro bereitgestellt. Diese erhebliche Mehrbelastung muss künftig durch Bund und Land getragen werden.“ 
In NRW werden aufgrund der Einführung des Rechtsanspruchs in den kommenden Jahren voraussichtlich rund 150.000 zusätzliche Ganztagsplätze benötigt. Bereits 2025 werden 480.500 Kinder mit Ganztagsangeboten gefördert. Der Städtetag geht davon aus, dass insbesondere in den größeren Städten nahezu alle Eltern ihren Anspruch geltend machen werden. 

Großer Bedarf
Keller warnt: „Doch dieser Ausbau ist überhaupt nicht durchfinanziert. Entgegen der Zusage im Koalitionsvertrag hat die Landesregierung kein Ausführungsgesetz für den Ganztag an Schulen in NRW vorgelegt. Hinzu kommt: Nicht einmal die vom Bund bereitgestellten Betriebskostenzuschüsse werden vom Land an die Städte weitergeleitet – sie werden stattdessen im Landeshaushalt vereinnahmt. So geht es nicht.“ 
Für die bauliche Realisierung des Ganztages haben die Kommunen zusätzliche Bundesmittel bekommen. Alle verfügbaren Fördermittel sind bereits in Anträgen von Kommunen gebunden. Das zeigt, wie groß der Bedarf ist für Erweiterungs- und Neubaumaßnahmen für den Ganztag. 

Bessere Chancen verdient
Auch die laufenden Betriebskosten des Ganztagsbetriebs steigen immens und müssen mit immer höheren Summen von den Städten ausgeglichen werden. Dazu sagt Frank Meyer, Oberbürgermeister aus Krefeld und Vorstandsmitglied des Städtetages NRW: „Der Ganztag in NRW ist schon heute unterfinanziert, denn die Mittel vom Land passen sich nicht an die tatsächlichen Kostensteigerungen an. Selbst ohne den Ausbau müssen die Städte den Ganztagsbetrieb mit erheblichen freiwilligen Zuschüssen finanzieren, damit er überhaupt funktioniert. Wir brauchen daher unabhängig vom Rechtsanspruch dringend eine auskömmliche Finanzierung der Betriebskosten durch das Land. Denn die Städte schreiben flächendeckend rote Zahlen und können zusätzliche Ausgaben nicht länger aus der eigenen Tasche bezahlen. Wenn das Land nicht mit eigenen Mitteln gegensteuert, führt das dazu, dass die Qualität des Ganztags von der kommunalen Kassenlage abhängt. Das wäre ein bildungspolitisches Armutszeugnis. Die Leidtragenden sind am Ende die Kinder: Sie haben bessere Bildungschancen und verlässliche Bedingungen für ihr Aufwachsen verdient.“ 
Angesichts all dieser Herausforderungen muss endlich geklärt sein, ob das Land die Aufgabe selbst übernimmt oder den Kommunen die Umsetzung des Rechtsanspruches auf Ganztag wirksam überträgt. Nur so können die Städte langfristig für den Ganztagsausbau und -betrieb planen – mit einer verlässlichen und dauerhaften Finanzierung durch das Land. Schon seitdem der Bund den Rechtsanspruch auf Ganztag 2021 auf den Weg gebracht hat, befürchten die Kommunen, dass sie für ein Versprechen einstehen sollen, das andere gemacht haben. Die Kommunen wollen für die Familien den wichtigen Ganztagsausbau nach Kräften fördern und vorantreiben. Dafür müssen sie auch die notwendigen Mittel erhalten.
 

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