Verschiebebahnhof Hamm

1847 begann mit der Köln-Mindener Eisenbahn für die Stadt Hamm das Eisenbahnzeitalter. Bis 1866 folgten die Strecken nach Münster, Paderborn und Unna; 1905 die Hamm-Osterfelder Bahn. Dadurch wurde Hamm innerhalb weniger Jahre zu einem wichtigen Eisenbahnknotenpunkt in Westfalen mit besonderer Bedeutung für den Güterverkehr.

Zum Ende des 19. Jahrhunderts reichten die vorhandenen Bahnanlagen für den immer dichter werdenden Verkehr nicht mehr aus. Um 1900 hatte der damalige Bahnhof Hamm seine absolute Leistungsgrenze erreicht. Der Eisenbahnverkehr stieg so stark an, dass sich Güterzüge bis zu drei Tagen vor Hamm stauten. Eine erste umfangreiche Erweiterung der Bahnanlagen 1883 und die Anlage eines Vorbahnhofs bei Heessen reichten nicht aus. So begannen ab 1911 die Arbeiten in Hamm für einen neuen Verschiebebahnhof, die 1916 hauptsächlich beendet waren. Der neue Ortsgüterbahnhof wurde der an der Oestingstraße südlich der Alleestraße angelegt.

Der größte Verschiebebahnhof Europas in Hamm im Jahre 1927
Quelle: Stadtarchiv Hamm
Ablaufanlage Hamm-Verschiebebahnhof-West Hvw mit Bremsturm und Gleisbremsen um 1930
Quelle: RBD Essen
Bombenschäden im Hammer Verschiebebahnhof nach dem Bombenangriff vom 22. April 1944
Quelle: Stadtarchiv Hamm
Rangierbetrieb im Verschiebebahnhof in den 1950er-Jahren
Quelle: BD Essen, Sammlung Stadtarchiv Hamm
Zwei Dampflokomotiven um 1965
Quelle: BD Essen
Verschiebebahnhof Hamm in den 1960er-Jahren
© Hans-Karl Dotter
Ablaufbetrieb im Rangierbezirk Vmo in den 1960er Jahren
Quelle: BD Essen
Ablaufstellwerk Hro (Hamm-Rangierbahnhof-Ost), 1968
Quelle: BD Essen
Abgestellte Reisezugwagen im Rangierbahhof Hamm
© Markus Meinold
Ehemaliger Ablaufberg im September 2016
© Markus Meinold

Gut zu wissen

Die Köln-Mindener-Eisenbahngesellschaft

Nachdem sie am 18. Dezember 1843 die preußische Konzession für ihre namensgebende Strecke erhalten hatte, begann die Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft im damals noch selbständigen Deutz mit dem Bau des ersten Teilstücks nach Düsseldorf, das sie am 20. Dezember 1845 eröffnen konnte.

Nur wenige Wochen später am 9. Februar 1846 wurde bereits das zweite Teilstück nach Duisburg fertiggestellt, vorläufiger Endpunkt war der am Ort des heutigen Duisburger Hauptbahnhofes gebaute „Köln-Mindener Bahnhof“, der erste von später drei Bahnhöfen an gleicher Stelle.

Mit dem nächsten Teilstück über Oberhausen, Altenessen, Gelsenkirchen, Wanne, Herne und Dortmund nach Hamm hatte man sich bewusst gegen eine Streckenführung in der Nähe der damaligen Kohlegruben am nördlichen Ufer der Ruhr und für die kostengünstigere weil weniger hügelige und damit leichter zu verwirklichende Trasse entschieden. Trotzdem dauerte es noch weit über ein Jahr bis am 15. Mai 1847 auch dieses Teilstück in Betrieb gehen konnte.

Noch im gleichen Jahr, am 15. Oktober 1847, wurde das letzte Teilstück bis Minden und damit die gesamte, 263 Kilometer lange, eingleisige Strecke fertiggestellt. (Quelle: Wikipedia)

Der größte Verschiebebahnhof Europas

Nach diesen umfangreichen Um- und Ausbauarbeiten im Jahre 1927 befand sich in Hamm der größte und modernste Verschiebebahnhof Europas mit einem täglichen Durchsatz von 10.000 Güterwagen. Die Länge der Bahnanlagen betrug 9,3 km, die größte Breite 470 m. 325 km Gleise wurden verbaut, mit 1.100 Weichen und 160 Signalen, gesteuert und überwacht von 20 elektromechanischen Stellwerken.

Der Verschiebebahnhof lag in Ost-West-Richtung und bewältigte überwiegend den ein- und ausgehenden Güterverkehr vom Ruhrgebiet in Richtung Hannover/Berlin. 1927 beschäftigte die Bahn 2.177 Beamte und Arbeiter und war somit neben Drahtindustrie und Bergbau einer der wichtigsten Arbeitgeber in der Stadt und ihrem näheren Umkreis.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Verschiebebahnhof Hamm stark bombardiert. In insgesamt 25 Großangriffen zwischen 1943 und 1945 wurden etwa 60 000 Tonnen Bombenlast über Hamm abgeworfen. 1945 waren 80 Prozent der Hammer Bahnanlagen zerstört, allein die Beseitigung aller betrieblichen Hindernisse dauerte acht Jahre. Schon ab August 1945 konnten im Verschiebebahnhof täglich wieder 200 Waggons abgefertigt werden. Im Juli 1947 war mit täglich 4000 Waggons fast die Hälfte der alten Leistungsfähigkeit erreicht.

Wiederaufbau, Modernisierung, Stilllegung

Nach dem Wiederaufbau war die Anlage durch die geänderten Verkehrsströme nur noch zur Hälfte ausgelastet. Wegen der Teilung Deutschlands nach 1945 verliefen die Hauptverkehrsströme nun überwiegend in Nord-Süd-Richtung, während der Ost-West-Verkehr vor allem im Güterverkehr deutlich abnahm. Hamm übernahm nun die Zugbildungen für die Ziele Lehrte, Seelze und Braunschweig im Nordosten, für Bremen und den Hamburger Raum sowie in Richtung Südosten nach Paderborn, Kassel und Bebra mit Übergang in die DDR.

1966/67 wurde der Hammer Verschiebebahnhof noch einmal modernisiert, denn im Verlauf der 1960er-Jahre veränderten sich die Zuglasten und -längen. 1970 war mit einer Tagesleistung von 8457 Waggons der höchste Wert seit Kriegsende erreicht.

Weitere Hoffnungen knüpften sich an den Fall der Mauer 1989. Der Güterverkehr bei der Deutschen Reichsbahn der DDR reduzierte sich allerdings rasch auf ein Minimum Anlage 1999 wurde der Rangierbahnhof Hamm in seiner bisherigen Form stillgelegt.

Video: "Der zerstörte Bahnhof Hamm · Krieg in Westfalen“

Von den „National Archives“ in Washington D.C. hat das LWL-Medienzentrum 2004 und 2015 rund acht Stunden Filmmaterial übernommen, das amerikanische Soldaten 1945 beim Einmarsch in Deutschland aufgenommen hatten. Festgehalten sind Kampfhandlungen und Kriegszerstörungen, der amerikanische Umgang mit deutschen Soldaten und Zivilisten sowie die Befreiung von Zwangsarbeiterlagern und die Entdeckung von Kriegsverbrechen in Westfalen. In diesem Film ist der zerstörte Bahnhof von Hamm aus dem April 1945 zu sehen. 2015 hat das Medienzentrum eine DVD mit Zusammenschnitten des Materials herausgegeben.

Video: "Der Verschiebebahnhof im Jahre 2020“

Der Film zeigt eine Drohnen-Aufnahme des heutigen Verschiebebahnhofs.