Vor 100 Jahren

Stilllegung der Nordener Hütte

Zwischen dem Großen Sandweg und dem Bockumer Weg im Hammer Norden verläuft östlich des Karlsplatzes der Hüttenweg. von ihm zweigt in einer Schleife die Straße "Nordener Hütte" ab. Dass dieser Bereich bis vor 100 Jahren ein wesentlicher Bestandteil der Industrialisierung Hamms gewesen ist, lässt sich heute anhand der Örtlichkeiten nicht mehr nachvollziehen.

Bereits zum Ende des 18. Jahrhunderts, im Jahre 1797 begannen Wilhelm und Johann Hobrecker am Nordentor mit der Herstellung von Nägeln und Ketten. Nach 1820 entstand hier eines der ersten Puddelwerke im westfälischen Industriegebiet. 1856 gründete Carl Hobrecker das Drahtwerk Hobrecker, Witte & Herbers in Hamm. Das Werksgelände lag im Hammer Westen zwischen der Köln-Mindener Eisenbahn und der Landstraße nach Unna und Dortmund. Dieses Drahtwerk war eines der ersten in Europa, das ausschließlich Dampfkraft zur Herstellung von Walzdraht nutzte.

1874 erwarb Eduard Hobrecker das Areal gegenüber dem heutigen Karlsplatz, im Winkel zwischen Bockumer Weg und der Köln-Mindener Eisenbahn, die seinerzeit noch auf dem gleichen Niveau wie die Straße verlief. Er baute hier eine neue Produktionsstätte für Draht und Stifte auf. Als eigenständiges Werk erhielt es den Namen "Eisen- und Stahldrahtwerk Eduard Hobrecker  G. m. b. H", im Allgemeinen sprach man von der "Nordener Hütte". Für die Arbeiter entstanden Wohnungen auf der anderen Seite der Münster -Hammer Bahn an der Münsterstraße. Durch das Wachsen der Nordener Bevölkerung entstand 1891 die Herz-Jesu-Kirche am Karlsplatz und die Katholische Nordschule II.

Das Werk erhielt erst 1905 einen eigenen Bahnanschluss. Bis dahin wurden die fertigen Produkte per Pferdewagen zum Hammer Bahnhof gebracht. Allerdings zeugen sowohl die Bauakten der Nordener Hütte als auch die Briefköpfe von einer stetigen Expansion der Produktionsstätte. Zwischen 1874 und 1898 hatten sich Anlagen in ihrer Größe verdoppelt. Ein Plan aus dem Jahre 1890 zeigt die Anordnung moderner, von Dampfmaschinen angetriebener Walzen. Ein Briefkopf aus den 1890er-Jahren warb mit der Produktpalette als "Specialität": "Gussstahl-Drähte für Bergwerks- und Schiffstaue von unübertroffener Qualität" und "Fahrrad-Speichen aus vorzüglichstem Matherial bei gediegener Ausführung". 1907/1908 erfolgte der Neubau eines Bürogebäudes und einer "Wasch- und Speisehalle" für die Arbeiter. Bei der Fassade war man hier sehr auf Repräsentation im Geschmack der Zeit bedacht, die historistische Ausführung mit Klinkern und hellen Putzfeldern erinnert an die zeitgleich entstandenen Bauten der Zeche Zollern II/IV in Dortmund.

1914 bestand der Komplex aus der Drahtzieherei und Stiftefabrik, Härterei, Verzinkerei, Geflechtfabrik u. Stacheldrahtfabrik, Küferei, Büro- und Magazingebäude sowie ein separates Vitriollager.

1910 wurde das bis dahin selbständig gebliebene Werk mit der Westfälischen Drahtindustrie (WDI) durch Übernahme der Gesellschaftsanteile der Eduard Hobrecker GmbH vereinigt. Gleichzeitig schloss man einen Vertrag mit Fried. Krupp in Essen ab, der der WDI die Rohstoffbasis und einen großen Abnehmer für Knüppel- und Walzdraht sicherte.

Im und nach dem Ersten Weltkrieg wurden die gesamten Bahnanlagen in Hamm weiträumig umgebaut. Hierbei wurde auch der Bahnkörper um mehrere Meter erhöht. Mit dem Bau des neuen Kreuzungsbauwerks an Bockumer Weg und Münsterstraße verlor die Nordener Hütte ihren Gleisanschluss. Da Massentransporte zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur auf dem Wasser- und Schienenwege möglich waren, musste dieser Umstand zwangsläufig zur Schließung des Standortes führen. 1921 wurde das Werk am Hüttenweg stillgelegt, die technische Einrichtung und die 120 Mann umfassende Belegschaft in den Hammer Westen verlegt. Durch diese Zusammenlegung verblieben nur noch zwei Großunternehmen der Drahtindustrie in Hamm - WDI und Westfälische Union. Die Firma "Eduard Hobrecker" wurde zunächst als Großhandelsunternehmen weitergeführt.

Die Bahnverwaltung kaufte das Gelände im Hammer Norden, und bereits in der zweiten Jahreshälfte 1921 legte das Eisenbahnbetriebsamt Hamm Pläne zum Umbau einiger Gebäude zu Wohnhäusern vor. Auf der Fläche der bis 1923 abgebrochenen Fabrikhallen sollten Kleingartenflächen entstehen.

Heute erinnern nur noch die Straßennamen „Nordener Hütte“ und „Hüttenweg“ an das Hobreckersche Werk.

Markus Meinold

Quelle: Stadtarchiv Hamm

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